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Writer's pictureHans und Dorli

Frashëri

Drei grosse Köpfe aus Stein bewachen das kleine Museum im abgelegenen Dorf Frashëri. Hier sind die drei Brüder um 1850 geboren. Nach dem Tod ihres Vaters, einem Grossgrundbesitzer, zog die Familie nach Griechenland. Samir, der bekannteste der drei Frashëri-Brüder, entwickelte im Jahr 1899 mit seiner Schrift “Albanien - Was es war, was es ist und was es sein wird” die Vision für ein eigenständiges Albanien und legte damit den Grundstein für die Unabhängigkeit Albaniens im Jahr 1912.


Nach Frashëri gelangen wir über eine gut unterhaltene Schotterpiste. Danach wird die Piste eng und holprig. Wir fahren im Schritttempo durch eine grandiose Berglandschaft, an Schaf- und Geissherden vorbei bis zu einem wunderschönen Übernachtungsplatz mit toller Aussicht. Wir sind mutterseelenallein. Nachts glitzern die Sterne, in der Ferne erkennen wir ein paar Lichter. Die Sonne weckt uns früh. Schon bald kommt Klarido, ein junger Hirte mit seinen fünf Kühen vorbei. Wir begrüssen ihn und sind überrascht, dass er englisch und spanisch spricht. Er arbeitete drei Jahre in Bilbao. Jetzt hilft er seinen Eltern das Familienhaus neu zu bauen. Wir kochen Kaffee und schwatzen gute zwei Stunden über Albanien, Spanien und die Schweiz.


Albanien ist ein Bergland, auch entlang der Küste. In den letzten Jahren wurden viele Strassen neu gebaut. Nach wie vor sind aber viele Dörfer nur über Schotterstrassen erschlossen. Teilweise sind diese in schlechtem Zustand und von tiefen Gräben durchfurcht. Für unseren Rubi ist das gerade richtig. Auf zwei, drei Strecken kommen wir durchaus ins Schwitzen. Schaffen wir die Querung dieser Alp oder ist es - kurz nach der Schneeschmelze - doch zu sumpfig? Wir haben Glück und haben nirgends ernsthafte Probleme. Die Krönung ist die bekannte Offroad-Strecke vom Bergdorf Teth ins Tal. Sieben Stunden dauert die holprige Fahrt von 55 km, was einnen Schnitt von 8 km/h bedeutet. Für uns ist das ja Spass, für die Bewohner der kleinen Dörfer entlang der Strecke ist es harter Alltag.


Korça, das kulturelle Zentrum des südlichen Albaniens, gilt als das kleine Paris Albaniens. Es ist auch die Geburtsstätte von Gjon Milli, der am MIT studierte, dort die Entdeckung des Stroboskops miterlebte und später als begnadeter Fotograf weltweit bekannt wurde. Wir besuchen auch zwei UNESCO-Weltkulturerbe, als erstes die osmanische Altstadt von Gjirokastër mit ihren wunderschönen alten Häusern und der riesigen Burg, sowie als zweites den ältesten See Europas. Der Ohrid-See ist vor 1.6 Millionen Jahren entstanden (zum Vergleich der Vierwaltstädtersee entstand während der letzten Eiszeit vor 12'000 Jahren)! Als einer der tiefsten Seen weist er eine einzigartige Fauna auf. Wir joggen rund um die Halbinsel Lin und fühlen uns um 100 Jahre zurückversetzt: kleine Gemüsegärtchen direkt am Ufer, nur zu Fuss oder per Boot erreichbar, enge Gässchen, ältere Frauen in schwarzen Kleidern, Männer mit miserablen Zähnen, jedoch ausgerüstet mit Mobiltelefonen!


Albanien ist seit 1992 eine Demokratie, vorher litt die Bevölkerung während dreissig Jahren unter der harten Diktatur von Hoxa und war von der Aussenwelt praktisch abgeschnitten. Inzwischen rechnet Albanien damit, bald zur EU zu gehören. Es wäre dann sicher das EU-Land mit den meisten Bunkern, da während der Diktatur überall, auch im abgelegensten Winkel, kleine und grosse Bunker gebaut werden mussten und heute - halb verfallen - nutzlos herumstehen.


Wir sind überrascht von der kulturellen Vielfalt. Der Süden ist stark von griechischen Minoritäten geprägt, im Norden spürt man den Einfluss Italiens. Minarette, sowie orthodoxe und katholische Kirchen finden sich überall. Viele Menschen leben in ärmlichen Behausungen, oft umgeben von Abfall. Die Arbeitslosigkeit ist gross. Junge und alte Männer sitzen oft untätig in den unzähligen Kaffees, die Frauen arbeiten - mit einfachsten Geräten - auf dem Feld oder in den kleinen Gemüse- und Allerweltsläden. Das Auto, insbesondere der Mercedes gelten bei Jung und Alt als Statussymbol, das immerhin so manchem einen Job als Autowäscher bietet. Allerdings stimmen die vielen Gedenktafeln entlang der Strassen nachdenklich. Sie zeugen von der Fahrweise vieler Albaner, so ist Kurvenschneiden und Überholen an den unmöglichsten Stellen gang und gäbe.


Wir haben nur einen kleinen Teil Albaniens gesehen, haben aber viel Neues und Überraschendes erfahren und - da wir oft auf kleinen Strassen und Pisten unterwegs waren - wohl einen Eindruck des “wirklichen” Albaniens erhalten

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