Zwei Stangen Dynamit, Zündschnur, ein Säcklein Amoniumnitrat. Dazu kommen zwei Plastiktaschen voll Süssigkeiten, aber auch Coca-Blätter, Zigaretten und ein Fläschen 96-prozentiger Alkohol. Das alles kaufen wir bei einer alten Frau auf dem Markt der Mineure in Potosi. Ohne diese Geschenke für die Mineure kann man die Silberminen nicht besuchen. Wir hätten ja nie gedacht, dass wir je Dynamit kaufen werden!
Die grosse Zeit der Silberminen im Cerro Rico de Potosi ist längst vorbei. Die Minen sind von den Grossfirmen schon längst aufgegeben worden. Heute arbeiten aber immer noch rund 5‘000 Mineure in 200 aktiven Minen. Sie sind in Kooperativen organisiert und arbeiten in Gruppen von jeweils vier Mannen. Die Arbeitsbedingungen sind katastrophal, der Tageslohn beträgt rund US$ 10 und Unfälle, aber auch Staublungen sind alltäglich.
Wir sind mit Jonny unterwegs. Er arbeitete zwei Jahre in den Minen und bietet nun seit dreizehn Jahren Führungen an. Überall kennt er alte Kollegen und lehrt uns, sie in Quechua zu begrüssen. Jeder Mineur, den wir treffen, erhält etwas aus unseren Plastiktaschen. Coca-Blätter sind sehr beliebt, man gibt immer zwei Handvoll. Vor der Arbeit stopfen sie jeweils rund hundert Coca-Blätter in die Backe, dazu eine schwarze Masse als Katalysator, dann wird während zwei Stunden gekaut und später alles im Stollen ausgespuckt.
Wir klettern einen engen Stollen runter, nur gebückt können wir unten weiter laufen. Vieles ist Handarbeit, selten kommen Presslufthämmer zum Einsatz. Mit dem Dynamit wird das Gestein gelockert, mit Schubkarren und einfachsten Liftvorrichtungen an die Oberfläche befördert. Wir sind froh, nach zwei Stunden wieder ans Licht zu kommen.
Der Cerro Rico wirkt wie eine riesige Abfallhalde. Ein trister Anblick! Die Halde mit den Gesteinsbrocken wirkt wertlos. Der Silbergehalt ist minim. Überall liegen Relikte alter Maschinen und Einrichtungen rum. Das Ganze ist mit viel Abfall „dekoriert“. Die Regierung versucht immer wieder, die Minen zu schliessen, kann aber keine Alternativen bieten. Darum wird die Schliessung immer wieder raus geschoben.
Am Nachmittag besuchen wir das berühmte Casa de Moneda in Potosi und schlendern durch die engen Gassen der Altstadt, heute ein UNESCO Weltkuturerbe. Danach „fliehen“ wir aus der Stadt Potosi mit ihren Minen und verbringen die Nacht im wunderschönen Hotel Museo Cayara, eine Hacienda aus dem 15. Jahrhundert. Zur Hacienda gehört eine grosse Sammlung antiker Bücher, aber auch ein gut hundert jähriges Wasserkraftwerk, welches auch heute noch mit EscherWyss-Turbinen betrieben wird und das ganze Dorf Cayara mit Strom beliefert. Auch das gibt es hier!
Liebes Heidi, Bolivien bringt eine Überraschung nach der anderen. Es ist recht intensiv hier, darum gibt es viel zu berichten. In der Gegend von Salta werden wir es dann wohl wieder gemütlicher haben. Liebe Gruss, Hans und Dorli
Eure Nachrichten kommen ja schlag auf schlag. Wahnsinnig spannend. Ich hätte aber "Schiss" in die Mine zu gehen. Ansonsten wären wir gerne auch dabei. So viel tolle Begegnungen und soviel schöne Landschaften. Ja, man muss feststellen, dass Argentinien und Chile sehr europäisch geprägt sind. Was ihr jetzt seht und erlebt das ist Südamerika oder nicht? Wir freuen uns sehr auf euer Erzählen!
Saludos y buen continuacion del viaje. Heidi y Marc